Initiativen, Vereine & Projekte von Frauen* 1989/1990 in der DDR

Besonders um die Ereignisse des Jahres 1989 spinnt sich mittlerweile ein dichtes und vielfaseriges Netz von Legenden. 17 Millionen Menschen im Moment des demokratischen Aufbegehrens und im Kern die „Stadt Leipzig voller Helden” – eine wunderbare Vision, aber nur „eine der Legenden”, die vielleicht in zweihundert Jahren in irgendeiner Datenbank unter dem Index „DDR” zu finden sind. Aber was sind schon vierzig Jahre DDR wert? Im Diagramm der jahrtausendelange Menschheitsgeschichte gesetzt, ein Punkt – nicht mehr, eher weniger. Im Koordinatensystem eines Menschen ist die Dimension eine andere – ein halbes Leben, ein vielleicht sogar viertel?… . Und trotz der rosa-roten Brille, die wir so gern aufsetzen, wenn es um unsere eigene Geschichte geht, wagen wir mal wieder den Versuch, über ein Puzzle von Ereignissen das Bild oder zumindest die Konturen der Frauenaktivitäten vor, um nach ’89 aufzeichnen zu wollen.

Die politischen Bewegungen der 80er Jahre in der DDR wurden von Frauen mitbestimmt und getragen. So unbestritten die Tatsache ist, so sehr ist die politische Tragweite im Blick auf diese Zeit ein Stück verloren gegangen.

Mit dem Zeitpunkt des „Mauerfalls” und offizieller Bestätigung der Manipulation der Kommunalwahlen von 1989 war die Entscheidungskompetenz der damaligen Stadtverwaltung faktisch aufgehoben. Im Februar 1990 übernahm der „Runde Tisch” die volle legislative Gewalt und Kontrolle aller Exekutivorgane. Die an den „Runden Tischen” von den Vertreter:innen der existierenden Parteien und Bürger:innen-Initiativen gefassten Beschlüsse waren bindend und mussten umgesetzt werden.

Politisch engagierte Frauen hatten sehr schnell die Notwendigkeit erkannt, Frauen-Interessen gemeinsam zu formulieren und Wege ihrer öffentlichen Wahrnehmung zu finden – und gründeten am 22. November 1989 eine eigene politische Plattform. Eine Kirche im Leipziger Osten wurde zum Ersten Versammlungsort für die Frauen der Stadt. Infolge dieses Zusammentreffens bildeten sich verschiedene Arbeitsgruppen, die sich mit unterschiedlichen Bereichen weiblicher Existenz in der Gesellschaft auseinandersetzten. Aus der Arbeitsgruppe „Frauen in Notsituationen” ging das Erste Autonome Frauenhaus Leipzig hervor, aus „Frauenliteratur” die Frauenbibliothek MONAliesA, aus „Weibliche Kunst und Ästhetik” die Frauenkultur Leipzig und es gründete sich die „Fraueninitiative Leipzig”, die am 3. Dezember 1989 den UFV (Unabhängigen Frauenverband) mitbegründete.

*) Runde Tische wurden als Verwaltungsinstrumente auf unterschiedlichsten, auch kommunalen Ebenen eingerichtet (aktiv bis zu den Kommunalwahlen im Mai 1990).


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